Duzen oder Siezen – Finde den richtigen Weg für dein Unternehmen
Das »Du« ist das neue »Sie«! Doch ist das wirklich so und worauf musst du dabei achten? Die Frage nach der richtigen Ansprache innerhalb des Unternehmens, aber auch der Kunden und Geschäftspartner gegenüber, stellt sich immer häufiger. Insbesondere seit Social Media ein wichtiger Marketingkanal geworden ist. Eines dabei ist sicher, der Plurales Majestatis ist es nicht. Lies weiter, wenn du erfahren möchtest, wie du deine Zielgruppen wirklich erreichst.
Früher war das Siezen die Regel. Es gab sogar Zeiten in denen Kinder ihre Eltern gesiezt haben. Es war ein klares Zeichen von Respekt und Wertschätzung. Doch das Konzept des Siezens und Duzens gibt es nicht in jeder Sprache. Im englischsprachigen Raum gibt es kein »Sie«, dort werden alle mit »you« angesprochen. Dafür gibt es subtilere Wege zwischen geschäftlicher und informeller Konversation zu unterscheiden. Auch in Schweden gibt es kein »Sie«. Dementsprechend ist es schon lange Teil der Firmenkultur von Ikea zu duzen. Dabei sprechen sich nicht nur die Mitarbeiter mit »Du« an, auch die Kunden werden konsequent geduzt.
Tatsächlich ist das Duzen ein Trend, der mit der Digitalisierung und der Globalisierung zugenommen hat. So orientieren sich viele Unternehmen am amerikanischen Vorbild, das ohne »Sie« auskommt. Gerade in den jüngeren Generationen hat das »Sie« den Stellenwert verloren, den es noch vor 30 Jahren gehabt hat. Geblieben ist der Wunsch nach einer wertschätzenden und respektvollen Art und Weise mit einander zu kommunizieren, ob mit »Du« oder mir »Sie«.
Diese Regeln gab und gibt es beim Duzen und Siezen
Knigge ist ein Name, den die Meisten mit gutem Benehmen in Verbindung bringen. Natürlich gibt es in den Knigge-Regeln auch Hinweise zum »Du« und zum »Sie«. Auch wenn diese Verhaltensrichtlinien langsam immer mehr aufweichen und an Bedeutung verlieren, solltest du sie kennen, um dich bewusst zu einem Bruch mit diesen Regeln entscheiden zu können.
Zunächst einmal gilt ein einmal gegebenes »Du« ein Leben lang und ist immer zweiseitig. Zum anderen ist es wichtig, wer wem das »Du« anbietet. Grundlage dahinter ist immer die Respektsbekundung. So sollte nach einer fast nicht mehr beachteten Knigge-Regel immer die Dame dem Mann das »Du« anbieten, nicht umgekehrt. Bekannter dürfte dagegen sein, dass es immer der Ältere ist, der dem Jüngeren das »Du« anbietet. Im Job verlieren diese Unterscheidungen ihre Bedeutung. Hier zählt alleine der bekleidete Rang. So sollte das Duzen immer vom Ranghöheren ausgehen.
Auch wenn wir es mit diesen Regeln zum Duzen immer weniger streng nehmen, bleibt der Grundkonsens erhalten, niemanden ungefragt zu duzen oder ihm ein »Du« aufzuzwängen. Egal ob wir Siezen oder Duzen, wir sollten stets darauf achten höflich und respektvoll mit anderen zu sprechen.
Das spricht für das »Sie«
Ob in einem Unternehmen gesiezt oder geduzt wird, hängt viel mit der Unternehmensgröße und der Branche zusammen, in der das Unternehmen tätig ist. So ist das Siezen in Unternehmen der Finanzbranche oder in juristischen Unternehmen noch immer Standard und gehört dazu, wie ein Anzug mit Krawatte.
Das »Sie« innerhalb des Unternehmens und zu Kunden hat in diesen Branchen klare Vorteile und stärkt die wahrgenommene Seriosität der Unternehmen.
Vorteile des Siezens
- Das »Sie« fördert ein respektvolles und höfliches Miteinander
- Das Siezen lässt Auseinandersetzungen weniger emotional und persönlich werden
- Das Siezen vermittelt Außenstehenden einen Eindruck von Seriosität
- Ein »Sie« kann eine positive Distanz erzeugen
- Das »Sie« wirkt förmlich und formell
- Siezen kann zu Neutralität beitragen, da aufgrund der Kommunikation weniger auf Sympathien geschlossen werden kann
- Interne Hierarchien können durch das Siezen hervorgehoben werden
Nachteile des Siezens
- Das Siezen erschwert oder bremst die Zusammenarbeit und den Austausch
- Ein »Sie« kann ablehnend wirken
- Durch das Siezen kann Diskretion suggeriert werden, wo keine gegeben ist
- Ein »Sie« kann auch negative Distanz erzeugen
Auch wenn es seit fast 30 Jahren normal ist, dass sich Mitarbeiter untereinander Duzen, wird von neuen Mitarbeitern oft zunächst das »Sie« erwartet. Hier kann das »Du« als eine Art Aufnahmeritual angesehen werden.
Grundsätzlich ist ein »Sie« immer ein sicherer Start, mit dem du nichts falsch machen kannst. Ist dein Gesprächspartner kein Freund des Duzens, vermittelst du ihm nicht durch ungefragtes Duzen ein unangenehmes Gefühl. Sollte für ihn hingegen das Duzen dazugehören, wird er das Thema im Verlauf eures Gesprächs wahrscheinlich ansprechen.
Das spricht für das »Du«
Anders als in der Finanzbranche ist es in der Medien- und Kreativbranche durchaus üblich zu duzen. Hier steht das »Du« auch als Erkennungszeichen für die Moderne. Auch in kleineren und jüngeren Unternehmen wird häufiger geduzt. Natürlich auch der Chef. Doch auch in großen Unternehmen kommt mit jüngeren Führungskräften das »Du«. Ein gutes Beispiel ist die Otto-Gruppe, wo 2016 der Vorstandschef all seinen Mitarbeitern das »Du« angeboten hat.
Vorteile des Duzens
- Das »Du« schafft Vertrauen und Nähe
- Durch das Duzen entsteht leichter ein »Wir«-Gefühl und eine stärkere Identifizierung mit dem Unternehmen
- Hemmschwellen und Distanzen werden mit einem »Du« abgebaut
- Duzen erleichtert neuen Mitarbeitern die Integration
- Das Duzen hat einen positiven Einfluss auf den internen Austausch
- Ein »Du« wirkt motivationsfördernd
- Durch das Duzen werden Probleme und Schwierigkeiten schneller angesprochen
- Ein »Du« kann auch die Geschäftsbeziehungen fördern, da es gegenseitiges Vertrauen signalisiert
- Die Hierarchien wirken durch das Duzen flacher
Nachteile des Duzens
- Beim »Du« fehlende Distanz erschwert den respektvollen Umgang und kann verbale Entgleisungen fördern
- Durch das Duzen kann es zu zu viel privater Plauderei kommen
- Durch das »Du« kann Vertraulichkeit suggeriert werden, die nicht gegeben ist
- Für Außenstehende, wie Kunden und Geschäftspartner, kann das »Du« befremdlich wirken
- Das Duzen erschwert die Umsetzung unpopulärer Personalmaßnahmen
- Streitigkeiten werden durch ein »Du« leichter persönlich
Das »Du« wird im Unternehmen häufig eingesetzt, um Nähe zu vermitteln, Hemmschwellen abzubauen und flache Hierarchien zu erhalten. Diese sind im Rahmen der Digitalisierung immer wichtiger, wo Entscheidungen schneller getroffen werden müssen und hohe Hierarchien zum Hindernis für effizientes Arbeiten werden. Mehr zur Digitalen Transformation findet du in diesem Beitrag.
Dabei läuft das »Du« jedoch Gefahr, den eigentlichen Zustand des Unternehmens nur zu verschleiern. Durch eine andere Ansprache werden die Unterschiede zwischen der Chefetage und den Mitarbeitern nicht geringer. Ein »Du« lässt auch keine komplexen Hierarchiestrukturen verschwinden, sie wirken nur auf den ersten Blick flacher.
Tatsächlich hängt an der Frage nach dem Duzen oder Siezen mehr als nur der Umgang im Unternehmen. Die Anrede kann als Führungsinstrument verwendet werden. Ausgehend vom Chef kann so mit einem »Sie« seine Autorität oder durch ein »Du« Nähe signalisiert werden.
Auch auf das Image des Unternehmens hat die interne Ansprache Auswirkungen. Wird geduzt, bekommt ein Unternehmen ein dynamischeres und teamorientierteres Image. Das »Du« sendet den Kunden und Stakeholdern das Signal »wir sind mitarbeiternah und nicht so formell«.
Wie auch immer du dich entscheidest, Konsistenz und Transparenz sind wichtig. Entscheidest du dich in deinem Unternehmen für das »Du«, dann duze auch alle und lass dich von allen duzen. Entscheidest du dich für das »Sie«, bleib dabei. Gibt es ein paar Mitarbeiter, mit denen du dich dennoch Duzt, kommuniziere klar warum. Behandelst du deine Mitarbeiter unterschiedlich, kann das zum Gefühl einer »Zwei-Klassen-Belegschaft« führen, das Betriebsklima kann beeinträchtigt werden und es entstehen wohlmöglich schwelende Konflikte.
Ist dir das »Sie« zu steif und das »Du« zu informell oder ist dein Unternehmen auch international tätig? Dann wären vielleicht auch Mischformen, wie das sogenannte »Hamburger Sie« eine Lösung für dich. Beim »Hamburger Sie« bleibst du beim »Sie«, spricht deine Mitarbeiter und Kollegen aber mit dem Vornamen an.
Kunden Duzen oder Siezen?
Wie du und deine Mitarbeiter miteinander redet ist eine Sache. Wie du Kunden ansprichst, eine andere. Die Art wie du intern kommunizierst, muss zum Unternehmen passen. Daher ist gerade in jungen und kleinen Unternehmen wie Startups das »Du« kein Problem, da es dort meist seit Beginn zur Unternehmenskultur dazugehört.
Geht es nun um die Ansprache der Kunden, gibt es drei bedeutsame Faktoren für die Entscheidung zu Siezen oder zu Duzen: die Unternehmenskultur, die Zielgruppe, das Kommunikationsmittel.
Ist es in deinem Unternehmen üblich sich zu siezen und legt ihr großen Wert darauf? Dann solltet ihr das auch dem Kunden, möglichen Bewerbern oder Geschäftspartnern gegenüber zum Ausdruck bringen. Müsst ihr euch zu einem »Du« förmlich zwingen, passt es nicht zu deinem Unternehmen und ihr würdet mit einer solchen erzwungenen Ansprache irritieren.
Wen willst du ansprechen? Suchst du neue Mitarbeiter oder Praktikanten? Schreibst du einen Artikel für deine Kunden oder einen Facebook-Post? Je nachdem, wer deine Zielgruppe ist, hat sie andere Ansichten zum Duzen und Siezen. Je älter deine Zielgruppe ist, umso wahrscheinlicher wird sie zum Beispiel auf die Ansprache mit einem »Sie« Wert legen.
Über was für ein Kommunikationsmittel sprichst du mit deinen Kunden oder Bewerbern. Bist du in einem direkten Gespräch, schreibst du für eure Webseite oder für die Sozialen Medien? Auf Facebook, Twitter und Instagram erwarten die meisten Nutzer eine informelle Ansprache mit »Du«. Auf formelleren Plattformen wie Xing oder LinkedIn wird dagegen eher das »Sie« bevorzugt. Umfragen zufolge findet es auch eine Mehrheit angenehmer auf der Webseite eines Unternehmens gesiezt zu werden.
Aber was schlussfolgern wir nun daraus? Solltest du für jede Zielgruppe und jedes Kommunikationsmittel eine individuelle Entscheidung treffen? Besser nicht. Werden deine Kunden auf verschiedenen Medien unterschiedlich angesprochen stiftest du damit vor allem Verwirrung und lässt dein Unternehmen inkonsistent wirken. Bei deiner Entscheidung sollte auch die Zielgruppe mehr beachtet werden als das Kommunikationsmittel. Ein Beispiel, wo dies nicht beachtet wurde, bot VW. Dort wurde auf der Webseite ein Schülerpraktikum ausgeschrieben und der minderjährige Schüler wurde gesiezt, denn es war ja die Webseite. Auf Facebook wurde dagegen ein potentieller neuer und erfahrener Mitarbeiter gesucht und dort geduzt, schließlich war es Facebook.
Grundsätzlich gilt, dass die Ansprache intern und extern zur Markenpersönlichkeit deines Unternehmens passen muss. Bist du dir unsicher, sprich mit deinen Mitarbeitern und teste die Ansprachen direkt mit deiner Zielgruppe. Lass dich nicht vom augenscheinlichen Zwang eines Kommunikationskanals oder eines Trends dazu bringen, dich zu verbiegen und bleib deiner Entscheidung treu!
Wie gehst du mit der Frage Duzen oder Siezen um und welche Erfahrungen hast du gemacht? Hinterlasse und einen Kommentar!
1 Comment
Ich finde es ungeheuerlich, daß immer mehr Unternehmen dazu übergehen, ihre Kunden ungefragt zu duzen.
Vor kurzem habe ich mich bei der Ing-Bank im Zusammenhang mit einer Kundeninformation noch ausdrücklich dafür bedankt, daß man dort bei dem „Sie“ geblieben ist. Darauf erhielt ich die Antwort, man wolle zwar mit den Kunden „auf Augenhöhe kommunizieren“, bleibe aber VORERST beim Siezen.
Schon diese Argumentation ist eine Frechheit. Ich habe dann auch geantwortet, daß ich mich durchaus (mindestens) auf deren Augenhöhe befinde und deshalb auch in Zukunft kein Duzen notwendig ist.
Ich drohe in derartigen Fällen jetzt auch eine Beendigung der Geschäftsbeziehung an, falls ich weiterhin so plump-vertraulich angeredet werde, und setze das dann auch ggf. um.